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Es war einmal ein kleines Mädchen, das war ganz allein auf der Welt. Des Tags wanderte es durch Dörfer und kleine Städte und erbettelte sich ein wenig Brot oder ein paar Äpfel. Des Nachts suchte es Schutz im Wald und schlief auf dem kalten, nackten Boden. Oft war es ganz steif vor Kälte. |
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Eines Tages kam es auf eine Wiese. Auf der Anhöhe stand eine prächtige Eiche. Als es so vor dem Baum stand und sehnsüchtig hinauf in die Baumkrone blickte, öffnete sich plötzlich der Stamm, und eine geheimnisvolle Tür tat sich auf. Das Mädchen traute seinen Augen nicht. Dort drinnen war alles, was es brauchte: Ein Bettchen, ein Tisch und ein Stuhl; dazu ein Krug mit Wasser und so reichlich Nahrung, als sei es für eine Prinzessin. Hier, so dachte das Kind bei sich, würde es ab jetzt wohnen. Hier konnte es schlafen, ohne sich vor den wilden Tieren des Waldes zu fürchten. Im Innern des Stammes führte eine Leiter bis in die Baumkrone. Das Kind kletterte hinauf. Vor ihm lag eine wunderschöne Landschaft. Da merkte es, dass es nicht alleine war, sondern dass sich ein kleiner Engel neben es gesetzt hatte. Der lachte vergnügt in sich hinein, und als das Mädchen fragte, warum er so fröhlich sei, antwortete er: „Weil Du endlich da bist. Ich habe schon auf Dich gewartet.“ Da verwunderte sich das Kind und fragte: „Aber Du kennst mich doch gar nicht?“ Da antwortete der Engel: „Doch, ich kenne Dich. Denn wir Engel kennen alle Kinder, und ganz besonders diejenigen, die ganz alleine auf der Welt sind.“ Da freute sich das Kind, weil jemand es kannte und auf es gewartet hatte. |
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Von nun an lebte das Kind in seinem Baumhaus, und es war froh und glücklich. Wenn es nun in die Städte und Dörfer ging, so packte es morgens freudig sein Bündel, denn nun musste es nicht mehr um seine Nahrung betteln. Es wusste, dass es am Abend, wenn es nach Hause kam, reichlich zu Essen haben würde. Und wenn es in den Wald ging, musste es sich auch nicht mehr vor den wilden Tieren fürchten, denn des abends konnte es sich in sein eigenes Bettchen in seinem Baumhaus legen und brauchte nicht mehr auf dem nackten, kalten Waldboden zu schlafen. |
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Mit der Zeit sprach es sich herum, dass ein Kind auf der Anhöhe in einem Baum wohne, und die Leute wurden neugierig. Manchmal, wenn sie Zeit hatten, stiegen sie die Anhöhe hinauf, um zu sehen, ob es stimme, was man so munkelte, dass ein Kind ganz alleine in der großen Eiche wohne. Dann standen sie vor dem prächtigen Baum, klopften wohl auch gegen seinen Stamm, aber sie konnten keine Tür entdecken. Ratlos schüttelten sie den Kopf und gingen wieder nach Hause. Das Kind aber tuschelte mit dem kleinen Engel. Dann sassen die beiden in der Baumkrone und waren sehr vergnügt, dass niemand sie sehen konnte. |
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