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Mühsam kroch ein Marienkäfer seinen steinigen Pfad entlang und dachte: „Ach, wie bin ich so mutlos und erschöpft. Ich muss ein wenig rasten.“ Und es streckte alle sechs Beinchen von sich. Da fiel ihm ein, dass es recht schutzlos da lag und leicht zertreten werden könne. Es rappelte sich auf und grub ein Loch in die Erde neben einem Stein. Es setzte sich in das Loch, und mit den Vorderbeinchen schaufelte es Äste und Laub über seinen Kopf, mit den Hinterbeinchen warf es Erde über sich, so dass es ganz unsichtbar wurde. Hier harrte es nun der Dinge, die da kommen würden. |
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Da es sich aber so angestrengt hatte mit dem Graben und Verbuddeln, schlug sein Herz schneller, und alsbald schaute es aus seinem Loch heraus um zu sehen, ob denn niemand käme, um es zu zertreten. Als niemand kam, wurde es übermütig und krabbelte ganz aus seinem Erdloch heraus und schaute sich um. Es setzte sich auf den Stein, in dessen Schatten es sich vergraben hatte und ließ sich von der Sonne bescheinen. Da wurde ihm ganz wohlig und warm zumute, und mit der Zeit vergaß es, dass es ja eigentlich auf jemanden wartete, der es zertreten könne. Schließlich dachte es bei sich: „Eigentlich könnte ich ja auch wegfliegen und die Welt erkunden.“ Es schüttelte seine kleinen, zarten Flügel und machte sich Mut: „So, jetzt!“ sprach es, erhob sich in die Luft und flog eine kleine Runde. Dann landete es wieder auf dem Stein, auf dem es ihm so wohlig und warm gewesen war, dass es am liebsten immer dort geblieben wäre. Da es sich nicht von dem Stein trennen mochte und ihn recht lieb gewonnen hatte, überlegte es eine Weile, was es tun könne. Nachdem es genug überlegt hatte, sprach es schließlich zum Stein: „Komm, liebster Stein, wir fliegen zusammen in die Welt!“ Der Stein jedoch rührte sich nicht. Der Marienkäfer fuhr fort: „Liebster Stein, komm, ich bringe Dir das Fliegen bei. Lass Dich erweichen. Fliegen ist wunderbar. Ich lege mich jetzt neben Dich. Dann will ich Dich wärmen, bis auch Dir Flügel wachsen und wir gemeinsam fortfliegen können.“ |
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Aber der Stein war eben ein Stein. Da weinte der Marienkäfer ein paar bittere Tränen, so dass sich zwei kleine Pfützen bildeten. Dann schmiegte es sich wieder an den Stein und ließ sein kleines Herz an ihm schlagen. „Morgen,“ dachte der Marienkäfer, „morgen fliegen wir gemeinsam fort.“ Dann schloss es müde und traurig seine Augen, und ihm träumte, wie sie sich beide aufmachten, ihre Flügel schüttelten und gemeinsam in die Welt hinaus flogen. |
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Am nächsten Morgen wachte der Marienkäfer auf, und der Stein war immer noch ein Stein. Da überlegte es, ob es auf immer hoffend und traurig bangend auf seinem Stein sitzen, oder ob es alleine fortfliegen solle. Es schüttelte seine Flügel und nahm Abschied von seinem geliebten Stein: „Wenn Du nun überhaupt nicht fliegen willst, so bleib halt ein Stein. Ich werde Dich in meinem Herzen tragen, und Du wirst mir immer nahe sein. Wenn ich traurig bin oder Sehnsucht nach Dir habe, werde ich mir vorstellen, ich wärmte Dich mit meinem kleinen Herzen.“ Und dann flog das Marienkäferchen in die Welt. Ihm war ein bisschen wehmütig zumute. Im Laufe der Zeit jedoch wurde es immer fröhlicher. |
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