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Vor langer Zeit wurde einem Bauern und seiner Frau ein Kind geboren. Es fegte aber ein Krieg über das Land, und die Eltern fürchteten, dass die mordenden Banden dem Kinde ein Leid antun könnten. Deshalb brachten sie es in einen tiefen Wald und setzten es dort aus. Sie hofften, der liebe Gott würde sich seiner erbarmen und schon dafür sorgen, dass es heranwüchse. |
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Das Kind nährte sich von Wurzeln und Beeren, und es baute sich eine Höhle, damit es vor den wilden Tieren geschützt sei. |
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Der Wald aber war verzaubert, so dass das Kind nicht heraus konnte. Auch kam niemand herein, denn die Menschen fürchteten die Schrecken des Waldes, von denen sie in alten Sagen gehört hatten. Manchmal fegte ein Wind durch den Wald, und dann bogen sich die Bäume, die Tiere suchten Unterschlupf, so schnell sie konnten, und das Kind verkroch sich in seiner Höhle. In der Mitte des Waldes war ein riesiges Loch. Immer, wenn der Sturm losbrach, verschlang dieses Loch alles, was in seiner Nähe war. Der Sog war ungeheuer, und es war ein richtiger Höllenschlund, der alles zermalmte. |
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Wenn das Kind im Walde unterwegs war auf der Suche nach Nahrung, und der Sturm brach los, befand es sich in höchster Gefahr, und es musste sich an einem Baum festklammern, bis sich der Sturm gelegt hatte. Dann war es bis auf die Haut durchnässt und zu Tode erschöpft. |
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Als es größer geworden war, erkundete das Kind den Wald und gelangte bis an dessen Grenzen. Der Wald war jedoch von dichtem Nebel umhüllt, und so sehr es sich auch anstrengte, es konnte nicht hindurch schauen. Nach einer Weile ging es dann immer wieder zu seiner Höhle zurück. |
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Eines Tages nun gelangte ein Jüngling in den Zauberwald. Er ritt auf seinem Pferd durch den Nebel in den Wald hinein und sah eine seltsame Welt von verzauberten Bäumen, verknorpeltem Gestrüpp und eigenartigen wilden Tieren. Der Wald machte ihm jedoch keine Angst, denn er kam selber aus einem Wald, in dem er einen bösen, heimtückischen Drachen besiegt hatte, so dass ihm nun die wilden Tiere und selbst der furchtbare Sturm, der alles in den Höllenschlund zog, nichts anhaben konnte. |
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Nach einigen Tagesritten traf er auf das Mädchen, das vor seiner Höhle saß und sich von der Sonne bescheinen ließ. Er stieg vom Pferd und setzte sich zu ihm. Noch nie hatte er eine so schöne Frau gesehen. Das Mädchen wunderte sich über die seltsame Erscheinung, denn es kannte nur die Bäume und die wilden Tiere. Ein menschliches Wesen hatte es noch nie erblickt, denn es lebte ja ganz allein in dem Zauberwald. |
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Das Mädchen zeigte dem Jüngling den Wald und all die Stellen, an denen der Sturm es überrascht hatte. Einmal gingen sie auch zusammen ganz nahe an den Höllenschlund heran, aber das Mädchen zog den Jüngling zurück, denn es wusste um die Macht des Sturmes und fürchtete sich, dass der Sturm losbrechen und sie beide verschlingen würde. |
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Nach einer Weile wollte der Jüngling zurück in die Welt. Das Mädchen, das er recht lieb gewonnen hatte, wollte er mitnehmen. Sie hingegen, die noch nie außerhalb des Waldes gewesen war, hatte Angst und wollte mit dem Jüngling in ihrer Höhle bleiben. Da fing er an zu erzählen, wie schön die Welt jenseits des Waldes sei, wie bunt und voller Leben. Er malte alles in solch prächtigen Farben aus, dass das Mädchen schließlich einwilligte ihm zu folgen. |
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So machten sie sich auf, um den Wald zu verlassen. Nach mehreren Tagen gelangten sie ans Ende des Waldes, und sie stießen schließlich auf die Nebel, die den Wald umhüllten. Da wurde das Mädchen traurig, denn es wusste, dass niemand diese Wand durchdringen konnte. Den Jüngling schienen die Nebel jedoch nicht weiter zu bekümmern, und er tröstete das Mädchen und sagte ihm, dass er einen bösen Drachen besiegt habe und ihm Nebel nichts anhaben könnten. Dann nahm er es auf sein Pferd, und sie ritten durch die dichte Nebelwand hindurch. |
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Vor ihnen öffnete sich eine Welt voll bunter Farben: Das Korn wogte auf den Feldern, blühende Wiesen und sanfte Hügel erstreckten sich vor ihren Augen, und in der Ferne sahen sie Dörfer mit Kirchtürmen, von denen die Glocken läuteten. Da ritten sie hinaus in die Welt, und das Herz des Mädchens wurde froh. Der Zauberwald jedoch verschwand im Höllenschlund, so dass dieser ganz verschlossen war und niemand mehr sehen konnte, dass hier je ein verzauberter Wald gestanden hatte. |
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